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Digital Detox: Ist abschalten wirklich möglich in einer vernetzten Welt?

Raus aus dem Bett und zum Handy greifen: Das Smartphone hat sich für Millionen von Deutschen zum Dauerbegleiter entwickelt. Emails checken, soziale Medien nach lustigen Videos, Katzenbildern und Likes absuchen oder nur kurz die Nachrichten lesen – abschalten vom Internet passiert immer seltener.

Rund 80 Prozent der Bewohner Deutschlands benutzten ihr Smartphone im Jahr 2022 täglich. Das waren 4 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Pro Tag kommen die 16-29-Jährigen im Schnitt auf 177 Minuten Nutzungsdauer pro Tag – fast drei Stunden. Die Gruppe der 30- bis 49-Jährigen kommt auf 151 Minuten und bei den 50- bis 64-Jährigen sind es 144 Minuten. Selbst die Altersgruppe ab 65 Jahren, die in einer analogen Welt aufgewachsen ist, verbringt im Schnitt 80 Minuten mit der Handynutzung im Internet.

Das bleibt nicht ohne Folgen. Laut Studien erhöht das stundenlange Sitzen vor Computer- oder Smartphone-Bildschirmen das Risiko von Übergewicht, Diabetes, Herzkrankheiten und mehr. Die Aufmerksamkeitsspanne wird verringert, und Stress und FOMO (Fear of missing out – auf gut Deutsch, die Angst etwas zu verpassen) steigen an.

Wo früher der Feierabend das Abschalten vom Job und Zeit für Familie, Freunde und Hobbys bedeutete, erlauben die Smartphones Verfügbarkeit rund um die Uhr.

Um dem Sog des Internets zu entkommen, wird immer häufiger das Thema Digital Detox diskutiert. Doch ist das in einer Online-Welt überhaupt möglich?

Die Antwort fällt für jeden Nutzer individuell aus. Manche Berufe und Familiensituationen verlangen die Möglichkeit, sofort Kontakt aufzunehmen und Antworten zu bekommen. Das Festnetz-Telefon ist eine Lösung, die jedoch im Vergleich zur mobilen Verfügbarkeit per Handy und dem Schicken von Emails mit Anhängen kaum eine Alternative darstellt.

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Am leichtesten lässt sich die digitale Entgiftung im Freizeitbereich vornehmen. Hunderte von geöffneten Tabs, stets neue Apps, Filter oder virale Trends nehmen schleichend immer mehr Platz auf den Handys und im Leben der Nutzer ein. Was davon ist zwingend notwendig und was kann durch analoge Versionen ersetzt werden, wenn der völlige Verzicht keine Alternative ist?

Die Wettervorhersage und GPS sind in vielen Situationen nützlich, ohne dabei ständig grundlos abgerufen zu werden. Puzzle wie Sudoku und Wordle sind gut für das Gehirn, aber Zahlen- und Worträtsel gibt es auch weiterhin in altmodischer Papierform. Kreuzworträtsel sind nicht umsonst seit Generationen ein fester Bestandteil im Unterhaltungsteil von Tageszeitungen gewesen.

Online-Schach und Online Poker machen Spaß, können aber genauso gut mit einem echten Schachbrett und echten Karten gezockt werden. Wer keine Partner zum Zocken im Freundeskreis findet, kann Vereinen beitreten oder einen Abend in der echten Spielbank verbringen.

Im Fitnessbereich sind Smartwatch, Fitbit und Handy zum virtuellen Trainer geworden. Doch auch ohne digitale Helfer machen Radtouren, Wanderungen, Joggen und andere Sportarten Spaß, selbst wenn hinterher keine Streckenmessungen und Split Times vorliegen. Werden die digitalen Geräte allerdings genutzt, um Gesundheitswerte zu überwachen, lohnt sich das Tragen, auch wenn darauf verzichtet werden sollte, die Daten nur so aus reiner Gewohnheit alle paar Minuten zu kontrollieren.

Chats mit Freunden in aller Welt sind durchs Netz so einfach wie nie. Das lässt sich bei physischer Entfernung analog nicht ersetzen. Doch wer Freunde und Familien in der Nähe hat, kann sich auf altmodische Art mit ihnen treffen und echte Gespräche führen oder gemeinsam etwas unternehmen.

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Der Online-Handel ist längst zum dominierenden Wirtschaftsfaktor geworden. Shopping rund um die Uhr und bequeme Rückgabe bei Nichtgefallen verführen dazu, die echten Läden zu ignorieren. Das Ergebnis macht sich allerdings rasch auf dem Konto, bei den Müllbergen und dem Energieverbrauch bemerkbar.

Selbst im Urlaub fällt es vielen Deutschen schwer, vom Internet abzuschalten. Selfies knipsen, mit Filtern verschönern und Posten gehört inzwischen dazu, ob es nun vor der Akropolis oder nur am Kneipentisch mit einem Glas Bier ist. Beim Warten am Ticketschalter eine Runde Zocken oder kurz nachschauen, wie viele Bewertungen eine Attraktion hat, ist keine Seltenheit.

Dabei sind viele Leute so vertieft in ihre Smartphones, das sie ringsherum vieles verpassen. Gezielter digitaler Detox hilft dabei, echte Erlebnisse wahrzunehmen statt nur als potenzielles Fotomotiv für Instagram oder Anekdote für soziale Medien zu sehen.

In fast allen Berufen lassen sich sogar im Alltag Grenzen setzen, die das vorübergehende Abschalten vom Internet erleichtern. Wer klar macht, dass er nach Feierabend nicht erreichbar ist oder Emails am Wochenende nicht liest, beziehungsweise beantwortet, gewinnt ein Stück Kontrolle über sein Leben zurück.

Ganz ohne Smartphone geht es kaum noch, aber das Handy muss nicht alles bestimmend sein. Die Realität mag nicht immer so spannend sein wie die virtuelle Welt, aber vom Handy abschalten, entspannen und sein Dasein bewusst genießen ist ein Konzept, das immer mehr Interesse findet. Wer seiner eigenen Internetnutzung enge Grenzen setzt, schafft sich damit Freiraum für die echte Welt, selbst wenn es am Anfang schwerfallen mag, aus dem Bett zu springen, ohne gleich zum Handy zu greifen.

Manni Winkler

"Bier-Geek. Der böse Ninja der Popkultur. Kaffee-Stipendiat fürs Leben. Professioneller Internet-Lehrer. Fleisch-Lehrer."

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