Die Debatte tobt, während der Fleischkonsum in Deutschland neue Tiefststände erreicht
Florian Bussmann grillt im Sommer gerne Würstchen und Steaks, doch heutzutage bevorzugt er Fleischersatz und gegrilltes Gemüse wie Auberginen und Paprika.
„Weniger Fleisch zu essen, ist auf jeden Fall ein Beitrag für die Umwelt und die Tiere. Und es ist gesünder“, sagte der 28-jährige Kommunalangestellte der AFP beim Vegan Summer Festival in Berlin.
Obwohl die Deutschen für ihre Liebe zu Wurst und Schnitzel bekannt sind, haben sie in den letzten Jahren immer weniger Fleisch gegessen.
Zahlen des deutschen Landwirtschaftsministeriums zeigen, dass der Fleischkonsum im Jahr 2022 auf 52 Kilogramm pro Person sinken wird, den niedrigsten Stand seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1989.
Im Vergleich dazu lag der Wert vor fünf Jahren bei 61 kg pro Person.
Bedenken hinsichtlich des Tierschutzes, des Klimawandels und hoher Preise haben Verbraucher dazu veranlasst, nach Alternativen zu Fleisch zu suchen, um ihren Teller zu füllen.
Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums ernähren sich etwa 10 Prozent der Deutschen vegetarisch, 2018 waren es noch sechs Prozent.
Ab 2021 gibt es auch in Deutschland einen veganen Landwirtschaftsminister, Sem Özdemir von den Grünen – zum Entsetzen vieler in der Fleischindustrie.
– „Langfristiger Trend“ –
Obwohl er sich als Teenager aus Tierschutzgründen für den Verzehr von Gemüse entschieden hat, sieht Astemir immer noch eine Rolle in der Fleischindustrie.
Seiner Meinung nach ist die Reform der Fleischproduktion ein zentraler Bestandteil der Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels.
Die Viehhaltung sei „einer der größten Verursacher“ der Kohlenstoffemissionen in der Landwirtschaft, sagte er gegenüber AFP, daher müssten Schritte unternommen werden, um die Praxis klimafreundlicher zu gestalten.
„Wir werden zum Beispiel Landwirte dabei unterstützen, weniger, aber dafür bessere Tiere zu züchten“, sagte er.
Özdemir glaubt, dass der Fleischkonsum der Deutschen ein „langfristiger Trend“ sei, der nichts mit ihm persönlich zu tun habe.
„Die Menschen machen sich Sorgen um das Klima, wollen mehr Tierschutz und achten mehr auf ihre Gesundheit, was ich gut finde“, sagte er.
Auch der wachsende Markt für Fleischersatzprodukte spiele eine Rolle, meint Sebastian Joy, Chef von Proweg International, einer NGO, die das Berlin-Festival organisiert.
„Du kannst deinen Burger, dein Schnitzel, deine Würstchen immer noch haben, aber du musst dafür keine Tiere töten“, sagte er.
Özdemirs Ministerium arbeitet an einer Ernährungsstrategie, die den Deutschen helfen soll, sich gesünder zu ernähren, und will diese bis Ende 2023 umsetzen.
Nach Angaben des Ministeriums sollen die Menschen zu einer „gesünderen, pflanzlicheren und nachhaltigeren Ernährung“ ermutigt werden.
– 10 Gramm pro Tag –
Doch nicht alle Deutschen sehen einer Zukunft mit weniger Fleisch so positiv entgegen.
Lokale Medien berichteten kürzlich, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die die Regierung bei Maßnahmen zur Förderung einer gesunden Ernährung berät, nur 10 Gramm Fleisch pro Tag empfehlen will.
Die Berichte sorgten für Aufruhr, und in den sozialen Medien verbreiteten sich Memes, die zeigten, wie eine dürftige Portion Fleisch auf der Waage gewogen wurde.
Die DGE sagte später, es handele sich bei der ganzen Sache um ein Missverständnis, doch die Debatte zeigte keine Anzeichen einer Abkühlung.
Eine aktuelle Umfrage der beliebten Bild-Zeitung ergab, dass 57 Prozent der Deutschen entschieden gegen staatliche Maßnahmen zur Reduzierung des Fleischkonsums sind.
„Die Regierung sollte sich von den Menschen fernhalten“, sagte ein Sprecher des Verbandes der Deutschen Fleischindustrie (VDF) gegenüber AFP.
„Neunzig Prozent der Deutschen essen gerne Fleisch. Niemand will sagen, dass ein Vegetarier Fleisch essen muss, um besser mit Vitaminen und Nährstoffen versorgt zu sein. Es sollte umgekehrt genutzt werden“, sagte der Sprecher.
Der VDF geht davon aus, dass der Rückgang des Fleischkonsums in Deutschland seit 2018 vor allem auf den Druck auf die Verbraucher durch steigende Preise und Inflation zurückzuführen ist.
Für Gabriel Hübner, 61, einen weiteren Besucher des Berlin Vegan Festivals, sind die „steigenden Kosten“ der Hauptgrund dafür, in den letzten Jahren weniger Fleisch zu essen.
„Ich muss nicht jeden Tag Fleisch essen, es gibt andere Lebensmittel wie Nudeln, Käse oder Kartoffeln“, sagte der Verwaltungsmitarbeiter.
Özdemir sagte, er habe nicht die Absicht, den Deutschen vorzuschreiben, was sie in ihren Einkaufskorb legen sollten.
Er sagte, dass jeder selbst entscheiden könne, was er isst und wie viel er isst.
„Meine Aufgabe ist es, ausgewogene und gesunde Ernährungsmöglichkeiten anzubieten. Ich möchte, dass die gesunde Wahl leicht fällt.“
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